Texte und Fotografien von ca. 1990 bis 2010
Mein Schicksal
gestört worden zu sein
Nagelfleisch
aus Wortbrunnen ein Rufen


Kind: „welches ist der rechte Weg?“
Keiner: „Deiner“

Wenn der Lebensdruck sinkt
stottert die Lyrikmaschine
in Weichwasser wäre warmes Gedankengeschwätz
kraftraubend krampfe ich
grobkotzend über Krater kriechend
krasse Grabungen

Jesus wieder auf der Erde
Unbestätigten Berichten zur Folge soll Jesus wieder auf der Erde sein. Der Mann, der sich nicht ausweisen konnte, hält sich nach einigen Wunderheilungen an Obdachlosen in der Kölner Innenstadt seit dem Abend in der Flüchtlingsunterkunft Herkulesstraße in Neuehrenfeld auf. Da man sich im Vatikan noch keine abschließende Meinung über die Identität des Gottessohnes bilden konnte, wurden im Rahmen diplomatischer Gespräche zwischen der Bundesregierung und dem Vatikanstaat der weitere Verbleib der Person besprochen. Geplant ist, den Heilsverkünder im Verlauf des morgigen Tages in einer Pfarrei im nördlichen Rheinland unterzubringen, wo er – entgegen der im Einwanderungsverfahren üblichen Vorschriften – als Hilfsarbeiter beim Friedhofsamt auf der Basis einer Ich AG vorübergehend beschäftigt werden darf. Die Ausübung weiterer Heilungen oder andersartiger therapeutischer Aktivitäten musste Herrn Jesus jedoch mit sofortiger Wirkung untersagt werden, da er nicht im Besitz eines gültigen amtsärztlichen Prüfungszertifikats nach §199 Abs. (c) Infektionsschutzgesetz ist. Am Gartenzaun des Pfarramts hat sich bereits eine Menge von Schaulustigen eingefunden. Bisher sind die Verhältnisse vor Ort ruhig, sodass von Seiten der Ordnungskräfte nicht eingeschritten werden musste. Jesus soll bei seiner Ergreifung nach ersten Zeugenberichten gesagt haben: „Hätte ich gewusst, wie toll hier unten inzwischen alles läuft, hätte ich nicht noch mal kommen brauchen“.
Das folgende Gedicht ist im Kontext der 60er Jahre zu sehen, Nazideutschland wirkte versteckt immer noch nach (und tut es heute wieder?)
Deutschmann
Deutschmann trägt Schwert unter Mantel
Preussenhart Vätersväter Drill
Glitzerblank Hartschweiß zum Gefuchtel im Geleb
Schafft Feindfreundfeindschaft
Hasslusthass
Lebenshass
Lebenshast
Mann quält Gegenquäler
Mann gegenliebt Quäler
Quälermann liebt Liebmann
Verhaltensblutschande übergibt Sadomasochismus an Kindeskind
Drillpreussisch verliebter Stresspuls macht Hirninfarkte der
Allesrichtigmachermänner
Erziehungsschleim verklebtes Verhalten
Ich derbdarbe wortzickenhaftes Schreibgelebe
Gedankenstachelschweine machen Reibschlaf
Nach meinem Schreien folgt Stochern unter
Amnesieabdeckungen
meiner Seelenwunden
Ich ahne einfachste Fehlstrukturen im falschen
Menschwelteinmaleins
Ich schaffe Gedankengedickichte
Flächenbrandworte
auf Weißpapier nagelloser Bilder
stehen dutzendweise in Gedankenstaubecken
einer Aufräumgesellschaft
Urlaub
der mittvierzige Tourist Thomas Schulbier
noch
kämpft
animationsresistent
gegen weitere
kleine
Strandungerechtigkeiten
darüber
ozonsubstituierte Normbräune
und die Anlage wird
Gewohnheit nicht verleugnen könnend
fast beiläufig inspiziert
nicht normgerechte Estrichrisse werden – da nicht
statikgefährdend – als nicht-erholungseinschränkungsrelevante
Nebenwahrnehmungen vorsätzlich aus
Zwangsgedankenkreisläufen seziert
recht zeitig gelingt
Erholung braucht Ruhe
unter Sonne
Schlafgedanken tänzeln
ein Gewinnpaket
entschnürt tritt Urlaubsfreude auf
Klang des Hungertodes
Klang des Hungertodes
unter Hitze
Palmenwedel
Schatten birgt ein Weltenmal
Kind in stummem Todeskampf
Klage
von Altaren Seelenrufe
sollen wollt gewir verrann
Kollektensumpf
Andachtsmurmeln
s’ Kindlein schützt ein Gotteslamm.
Gemeingeklage Summenwir
s’ Kindlein liegt mit Eiweißbauch
stumm bei Palmenwedelhauch
„Mamon“
Gehör – Gewir – Genug gestorben
„Mamon“
gehaucht
ein Weltgesang
Stadtgespräche
Du grüßender Sonnenvogel
Gebierst mir im Siebentakt
Überschreibflutest mein Gedacht
Ohngedanken wetterleuchten
Weltenherz überwortflutet Sprachhirn
Großstadtgemurmel
Eis
Einstieg
Hast du Lachen
Wir laufen
Wozu wegschmeißen
Trocken
Ilona, die haben sich so verkracht
Im Blick verankerte Gedankengesichter – kartoffelstiftkauend
Die Welt noch verstehende alte Schweigegesichtdamen
arminarm
zeithabend
Fremdsprachsilben
Straßenbahn
Die Autohupe pochend
Auge sucht Welt
Auge sucht Wert
Auge findet Wert
Neben Turban Rotschrift Tahoma 98:
Fünf-Punkt-Strich-Euro-BH
für Büstenhalter
Sili, komm Schatz
Ziehung
Erziehung
Sieziehung
Esziehung
Verziehung verzogen
verzogen Erzogene erziehen
Sie ziehen
Es ziehen
und der Kampfgeist der Ahnen gerät in Vergessenheit
und das Erzählen der Alten verblasst vor der Herausforderung
im Leben der Jungen
und alle meinen, sie haben es doch gut gemacht
und das System wird weicher
und wenn ein Feind anklopft
so denken wir ihn hinein in eine Denkschublade
aber wenn einst ein Kampf nötig sein wird
werden alle nur reden und keiner kämpfen wollen
und wenn der Kampf dann doch wieder ausgetragen ist
werden wir unsere Kinder erziehen
Sie ziehen
Es ziehen
Erzogen
Sie zogen
Es zogen
in den nächsten Krieg