Spähwerk

ehrlich?

in den Spiegel sehen?

Mehr als je zuvor sind wir gefordert, der Wahrheit und unserer Zukunft ungeschminkt ins Auge zu sehen. Machen wir uns ehrlich.

Der Blick in die Welt ist ein in unseren engen Spektren geborge-ner, damit Realität verleugnet werden kann und nicht weh tut. Weiten wir unseren Blick, machen wir uns ehrlich, bevor wieder Bomben fallen oder unsere natürlichen Lebensgrundlagen zerstört sind.


Dies ist kein Ort nur für Klamauk.
Hinter Satire steht auch Ernst.
Manchmal steht hinter dem Lachen Schmerz.

In der Sprache fand ich mein Spielfeld, auf dem ich frei von Regeln doppeldeutig, verdreht, mundartlich überzeichnet oder experimentell das Menschsein in dieser Welt beschreiben konnte.


Ein Blick in die aktuell durchgerüttelte Gegenwart führte zum sprachlichen Abdruck eines emotionalen Verdichtungsvorgangs – ein Text, der brennt, weil Denken und Empfinden brennen kann.


Sollten wir – statt mit der Lupe auf uns zu starren –
eine ferne Galaxie befragen,
wie der Mensch der Welt bekömmlich wird.


Applaus im Theater der Absurdität

Man muss keine Satire mehr machen,
wenn Kiew, Charkiw und Odessa brennen –
und Europa Wiederaufbaukonferenzen hält.
Mit der Zusage von 2,5 von 850 benötigten Milliarden.
Und der Floskel „uneingeschränkter Solidarität“.
Und Präsident Selenskyi muss wie immer freundlich nicken –
für jede Patrone einen tiiiefen Diener.
Als Rezeptionist im brennenden Hotel Europa.


Trägheit, Weckruf, ach Wallhalla

In Wohlstandsdämmerschlaf versunken
Feinstaub-, Lärm- und Vorsichtsland.
Vielleicht gefälligst ein paar Drohnenschläge in
Berlin, Aschaffenburg, Neu Ulm.
Herr Putin lässt gefällig grüßen.
Der Westen schickt ihm nicht mal ernste Botschaft,
sein Thron hat nie gewackelt,
wir reden nur, wir beißen nicht.
Stattdessen
kommunale Wärmeplanung,
CO₂-Bepreisung, Tod!
Durch Staub und Lärm und die Gerichtsverheißung:
Wir lenken euch, ihr seid zu doof!
Mit bundesweitem Fahrradwahn,
Insektenschutz und Müllvermeidung,
Mietpreisbremse,
Reichensteuer,
Grünlandnebel für Neu Kölln.
Deutschland, Europa,
macht euch ehrlich!


Europa debattiert, das Volk beginnt zu sieden

Man sagt uns, Angst und Depression
müsst von den Delegierten uns genommen werden,
denn wir verstünden’s nicht,
wir bräuchten mehr Gesetze, Führung, mehr Justiz.
Der Mensch sei ohne den Politiker ein armes Schwein,
zu dumm, zu überleben ohne Zaumzeug der Palavermente.
So abgewandt sind viele schon,
dass kaum ein Waffenträger fände sich,
das Land zu halten, zu verteidigen.
Die Zahl der Kriegsdienstgegner steigt.
Europa gaukelt uns das Märchen vor
von Brüderlichkeit, Stärke und von hohen Werten.
Mit sakrosankt geweihter Wirkungslosigkeit.
Das Volk sucht Klarheit, Handeln, Herz und Hand
am Hammer über‘m Ambos, harte Arbeit für ein klares Ziel.
Erhält jedoch nur Lügen, Taktik,
Tamponautomaten auf den Herrntoiletten,
und Lurchschutz, Käferhabitate, Genderhype und Duschverbot.
Hoch lebe Bürokratie und Regelsucht,
statt Handlung, Klarheit, Taten.


Eierlauf mit Hürden

Politberlin du Eierlaufpalast,
auf schmalem, vom Verfassungsgericht gesäumtem Pfad
von durchgeknallten Öko-, NGO-Vereinen
begleitet
dämmern wir dahin,
Vernunfttod, Ökosuizid.
Und während wir noch Treffen terminierten,
stünd Putin schon mit Siegeskranz auf Brüssels feinen Plätzen.


Ach diese Schriftsteller. Schreiben und schreiben und schreiben. Wer soll das denn alles lesen.


Lokalnachrichten

Das leicht vibrierende Anheben der linken Augenbraue und der für einen kurzen Moment erstarrte, fixierende Blick des vorgesetzten Chefredakteurs der Heiterberger Rein-Mecker-Zeitung, Felix Schreiblass, auf die unbedachte Bemerkung des Nachwuchs-redakteurs Werner Ehrlicher, er kenne keinen einzigen Lärmtoten, veranlasste diesen, die Arbeit an seiner Serie über „Unschärfen epidemiologischer und toxikologischer Studien und Modellierungen zur Lärm- und Feinstaubsterblichkeit“ umgehend einzustellen und sich journalistisch im Bereich Fahrradstraßen, Windmühlen, Vereinsjubiläen und Umwelt-Bürgerinitiativen fortzuentwickeln.


Ein Großvater auf dem Sterbebett zu seinen Enkeln: Wir hätten euch die Umwelt retten müssen, sind aber leider nicht dazu gekommen.


Ich lebte in den Armen der liebevollen Mutter Natur, geborgen und gehalten, genährt und behütet. Aber sie schimpft ständig mit mir.


Sei doch einfach einfach.
Reisen, reisen, reisen, reisen, reisen, reisen.
Pharaonengräber, Eiffelturm, Fahrt zu den Walen, unendliche Wüsten, Käse andalusischer Bergziegen.
Herrlich, herrlich, herrlich, herrlich, herrlich.
Schreiben/Nachdenken. Das Wissen steht vor der Tür. Keiner zu Hause.
Schreiben wollen. Da war doch noch was.
Schreiben. Schürfen im Marianengraben der Realität.
Den ganzen Kopf hineinstecken in zähschleimigen Stickmull eines Kann-man-doch-machen. Die Rentenfreizeitarbeit ist schlimmer als Geldverdienen, weil sie sinnlos ist. Mit dem Ersparten möglichst viel kaufen, was noch in den Erlebniskropf passt. Überall rumglotzen, man nennt es auch staunen, manche sagen Erfüllung. Erinnerungen hineinpressen in die vom Arbeitsleben angefüllte Hirnhöhle, bevor der Abflug kommt. Ein Blick auf den Indischen Ozean, Moment, ich habe es passend.
Schreiben. Verschwinden in der Tintenwolke.
Lesen. Sich auf die Couch binden lassen.
Leben. Umherirren im Wollen und Haben, im Weggehen und Zurückkommen,
Geboren, Girlanden, ein Bottich (Urne).
Ehrlich ist anstrengend und macht keine Freunde.


Die allermeisten Menschen sind empathisch, hilfsbereit und gut. Was machen diese guten, friedfertigen Menschen falsch, dass ausgerechnet ihr Wohl vertretende Staatenlenker von Weltmächten oft narzistische, kriegsbereite Soziopathen sind.


Aus prallen geschlängelten Sprachadern
rinnen manchmal Tropfen
über Trommelfellplanen.
Oh, ein Lidschlag.


Der Dichter Theodor Schreibauf ging jahrelang morgens zum Strand.
Wenn er zurück kam, schrieb er täglich ein Gedicht.
Es hatte nur ein Wort da stand
Himmel.
Am letzten Tag seines Lebens stand er am Strand und rief laut
Himmel, schade dass ich nicht malen kann.
Es waren genügend Gedichte für seine Nachkommen vorhanden.
Sie meinten, sein Leben sei ausreichend gewesen.


Die EIGENE SICHT ist der Fetisch und die Sucht des Menschen.


Erdangst
Windradsilben sirren bereits
etwas Erdangst
kaum gedämmt mit Hirnwatte
Terragedankensand
ein Mandelkern sucht nach gelagerten Emotionen
es gibt diese Durstschreie in trockengefallenen Seen
noch lässt sich ungehört leugnen
im Schuhkarton 15-Eurosandalen
mit Grüßen aus Bangla
und darauf
eine
getrocknete

Träne


Flüchtlinge
bleibt sonst schlagen wir euch
schwarze verdunkelte Busse voller Menschenvertreiber
zwischen Grün Blüten hängen
Kinderkleiderfetzen an Drahtdornen
mitten im Wohnzimmer diese nasse durchgefrorene Familie mit traurigen Kindern die aus großen Augen flehen
die Empfänger werden auf schlechten Empfang eingestellt
eurokratisch gelingt etwas schwarzer Nebel
die Probleme müssen vor Ort gelöst werden
vitamingeboosterte Kitasonnenkindlein
ich klebe zäh im Wohlstandshonig
Aktienstrategien
noch schnell ein Geschäftchen


ein Leben lang gesprochen
lauter verbrauchte Sätze
hallschwallen im schwarzen Sprachsilo
an den Wänden Gedankenkrusten
eine kleine Buchstabenflamme lodert mit wenig Rauch


Gedanken eines Tages
eine Chance
gelebt
an die Welt gereicht und ihr gedankt
es reichte
geatmet zu haben


Oben Sprachgewitter in der Hirnhalle.
Darunter Knochenreiben im alternden Fleischhaus.


Umweltzerstörung durch Sprachmüll wird pro Kilosilbe mit einem Punkt geahndet. Ab 5 Punkte werden Deutschwiederbelebungskurse angeboten, ab 8 Punkten besteht Sprachverbot. Zur Wiedererlangung der Spracherlaubnis ist ein psychiatrisches Gutachten erforderlich. Bis dahin besteht Denk- und Auflehnungsverbot.


Forschungsschwerpunkt
Grabsteinlyrik
Friedhofslyrik


Die Verhaftung des Wortes Ordnungshaft wird hiermit angeordnet.


Die Rufer rufen wieder strenger nach Hörern. Es wird wieder weimarer.


Leben
Das ist der Abstand zwischen Gesäß und Tritt.